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Ausblick 2020 – Michael Seemann – Otherwise Network

Ausblick 2020 – Michael Seemann

Was bringt das neue Jahrzehnt? Wir vom Otherwise Network spekulieren uns durch die Gegend. Heute Michael Seemann.

2020 wird das Jahr, in dem sich die globale IT-Landschaft weiter entlang unterschiedlicher Achsen politisiert. Zum Einen werden auch demokratisch gewählte Regierungen immer aggressiver und bedenkenloser auf Überwachungs-Möglichkeiten der IT-Infrastrukturanbieter zurückgreifen (Zugriff auf Daten fordern, Verschlüsselung unterminieren und fordern, in Prozesse eingreifen zu können). Es wird ihnen dabei argumentativ um bessere Kontrolle der Bevölkerung und um die Sicherung der Außengrenzen gehen.

Auf der anderen Seite wird sich der Widerstand dagegen stärker formieren. Einerseits in der Zivilbevölkerung und andererseits auch bei den Mitarbeiter*innen der Unternehmen selbst. Die Google Walkouts sind erst der Anfang. 2020 wird in den USA starke IT-Gewerkschaften hervorbringen, die mit eigenen Ethikrichtlinien ihre Arbeitgeber unter Druck setzen. Sie werden auch ein Vehikel innerhalb der innenpolitischen Kulturkämpfe in der nächsten Regierungsamtszeit von Trump.

Die Folge wird sein, dass es einen Split zwischen Unternehmen geben wird, die sich den Anforderungen Regierungen oder einiger ihre Vorhaben widersetzen und Unternehmen, die kooperieren. Viele werden sich zunächst versuchen irgendwo dazwischen durchzumogeln, ohne sich zu positionieren. Das Spiel ist allerdings nicht lange Durchhaltbar. Plattformen werden politisch.

Versuche innerhalb der institutionellen Politik, die Macht der Plattformen zu brechen, wird an Politiker*innen scheitern, die die Macht der Plattformen lieber für die eigene Zwecke nutzen wollen. Forderungen wie die „Zerschlagung“ monopolartiger Strukturen werden dabei auf Dauer im Raum gelassen, um ein politisches Druckmittel zu haben, die Plattformbetreiber zur Kooperation zu ermuntern. Politik wird Plattformpolitik.

All das wird durch die sich aufschaukelnden geopolitischen Spannungen massiv beeinflusst und meist noch befeuert. Insbesondere der schwelende Handelskrieg zwischen USA und China wird das Vertrauen in globale Supply-Chains nachhaltig zerstören, was IT Infrastruktur schnell wieder zu nationalen Angelegenheiten macht – natürlich gerne unter dem Vorwand der “nationalen Sicherheit” und der Unabhängigkeit “kritischer Infrastrukturen”. Das stellt insbesondere Europa vor das Problem, dass es gar keine eigenen digitalen Infrastrukturanbieter hat. Man sieht bereits in der Huawei-Debatte, dass in diesem Fall gerne mit zweierlei Maß gemessen wird und insbesondere die deutsche Politik sich wohl auf eine IT-Infrastrukturelle Westbindung einschwenken wird. Im kalten Cyberkrieg sitzt diesmal auch der Westen hinter der eisernen Firewall.

Von den Spannungen sind unterschiedliche Firmen unterschiedlich stark betroffen. Amerikanische Firmen, die eine starke Abhängigkeit vom Chinesischen Markt haben werden umso abhängiger vom Goodwill der amerikanischen Regierung. Es ist ein bisschen so wie in Zeiten des Merkantilismus, wo die Regierungen Handelsmonopole vergab. Ähnliche Machtdynamiken werden sich in Zukunft dann abspielen, wenn es darum geht, eine Lizenz zum Handel mit China zu bekommen. Google und Facebook werden also weniger über diese Schiene erpressbar sein, als beispielsweise Apple und Tesla, was sich wiederum auch darauf auswirkt, wie viel Spielraum sie haben, sich gegen die Wünsche der Regierung zu stellen. Alles ist mit allem verbunden!

Facebook versucht unterdessen Regulierungs- und Zerschlagungsforderungen aus der Politik zuvor zu kommen, indem es einerseits seine Infrastrukturen (Instagram, WhatsApp, Facebook) durch Zusammenlegung und einem starken Kryptografieversprechen konsolidiert und andererseits interne Institutionenbildung (z.B. durch das “Oversight Board”) vorantreibt. Facebook wird versuchen, immer stärker eine von der institutionalisierten Politik unabhängige Legitimation aufzubauen. Mit entsprechendem Legitimations-Kampfgewicht wird vielleicht keine völlige Unabhängigkeit, wohl aber eine selbstbewussteres Auftreten gegenüber den USA und der EU möglich werden. Für die Libra-Währung sehe ich allerdings schwarz. Da haben sie sich Regulierungs- und Akzeptanz-mäßig verhoben. Aber auch ohne eigene Währung steuert alles weiter in Richtung Facebook Republik.

In all dem Kuddelmuddel wird sich für die EU die Frage stellen, ob sie post-Brexit die Kraft haben wird, eigene Projekte voranzutreiben, oder man sich weiterhin gegenseitig blockieren wird. Eine Chance könnte sich Prozessormäßig durch RISC V Architekturen ergeben, die durch ihr offenes Design einen Ausweg aus der Abhängigkeit von Intel und ARM versprichen. China scharrt da auch bereits mit den Hufen. Fehlt eigentlich nur noch ein Betriebssystem. Ich will gar nicht zu wagen hoffen, dass das cyberstragische Vakuum, in das sich Europa gesteuert hat, vielleicht doch noch die von mir erhoffte Staat-Open Source Allianz hervorbringt.

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